…oder genauer gesagt langweilig
Oh sorry, hat dich die Überschrift geärgert?
Dann habe ich jetzt ja deine Aufmerksamkeit!
Der Vintage-Look bei Hochzeitsfotos ist bei einigen Fotografen und Brautpaaren zur Zeit sehr beliebt.
Ich kann das wirklich nicht nachvollziehen und gehe mit meinen Fotos so ziemlich genau in die entgegen gesetzte Richtung.
Deshalb sei es mir erlaubt hier einmal ordentlich über diesen kleinen Trend her zu ziehen.
Dabei werde ich aber nicht banal und subjektiv bleiben, sondern euch fotografisch künstlerische Argumente liefern.
Blickführung in der Fotografie
In diesem Artikel habe ich schon etwas über Bildaufbau und über Foto-Kunst geschrieben:
Sind Hochzeitsfotos Kunst?
Dabei habe ich besonders die Emotionen betont, die ein gutes Hochzeitsfotos beim Betrachter auslösen soll.
Doch damit das möglich ist, muss der Betrachter erst einmal zum Betrachter werden.
Das heißt, das Bild muss ihm irgendwie ins Auge springen und dann fesseln, so dass es ausgiebiger untersucht wird.
Diesen Prozess nennt man auch Blickführung.
Ich werde euch nun verschiedene Mittel der Blickführung und Kontrast-Arten am Beispiel von Hochzeitsfotos demonstrieren.
Je mehr dieser Elemente in einem Foto eingesetzt werden, desto spannender ist das Foto und desto eher wird es überhaupt genauer betrachtet.
Ihr werdet sehen, dass Hochzeitsfotos im Vintage-Look meistens nur ein einziges Element verwenden.
Dadurch sind sie objektiv gesehen langweilig. :-)
Hell-Dunkel-Kontrast
Das Auge wird immer von hellen Stellen eines Fotos angezogen. Dieser Bildbereich wird also betont, weil er im Kontrast zum Rest steht.
Es macht also bei Hochzeitsfotos Sinn, das Brautpaar generell eher heller zu haben als die Umgebung oder den Hintergrund.
Ich erreiche das durch den Einsatz eines starken externen Blitzes, den man dann natürlich dezent und gekonnt einsetzen muss um die gewünschte Lichtstimmung zu erhalten.
Wäre auf dem Bild oben das Brautpaar nicht etwas heller als der Park, würde es sich kaum vom Hintergrund abheben und das Bild würde nicht funktionieren..
Hochzeitsfotografen, die mit Vintage-Look unterwegs sind, benutzen keinen Blitz sondern im besten Fall einen Reflektor.
Doch auch damit sind die Möglichkeiten, mit Helligkeiten zu spielen natürlich sehr begrenzt.
Auffällige Farben
Beim Bild oben schaut man mit als erstes auf dem Brautstrauß, oder?
Das liegt an der kräftigen Farbe, die die Aufmerksamkeit erregt.
Das Geld ist kräftiger als die umgebenden Grüntöne des Rasens und Rottöne der Haut.
Und jetzt ratet mal, welcher Bild-Look das mit seinen schwachen Kontrasten und blassen Farben kaum bieten kann…
Kalt-Warm-Kontrast
Blau wirkt für die meisten Menschen eher kühl und kalt als beispielsweise Orange.
Verwendet man also Blau und Orange in einem Bild, bilden die beiden Farben einen Kontrast, der das Auge wiederum zu den wärmeren Farben lenkt.
Da Braut und Bräutigam meistens eine Hautfarbe haben, die Richtung gelb-orange-rot geht, werden sie so automatisch innerhalb des Fotos betont, wenn die Umgebung kühlere Farben hat.
Und was passiert, wenn man vintage-mäßig alles bräunlich einfärbt?
Richtig, der Effekt geht flöten!
Führungslinien
Starke Linien in einem Foto sind immer auffällig und lenken den Blick.
Das kann man nutzen, um den Blick von den Ecken des Bildes ins Zentrum zu leiten, oder um das Auge auf einem Foto umher wandern zu lassen.
Um Linien als solche zu erkennen, müssen sie scharf sichtbar und relativ kontrastreich sein
Das funktioniert also normalerweise nur, wenn der nächste Effekt nicht gerade eingesetzt wird.
Scharf-Unscharf
Für viele “Fotografen” ist dieses Stilmittel ganz begeisternd, wenn sie das erste mal eine Kamera mit teurem Objektiv in den Händen halten:
Das Objekt, worauf die Kamera fokussiert wird scharf dargestellt und der Rest verschwimmt zu einem cremigen etwas.
An der Kamera kann man die Blende des Objektivs einstellen, und sie wird natürlich immer so eingestellt, das nur möglichst wenig auf dem Bild scharf abgebildet ist.
Es sei denn, man weiß, was man tut und setzt diesen Effekt nicht andauernd und übertrieben ein, sondern nur dort, wo es Sinn macht!
Beim Vintage-Look gibt es fast nur solche Fotos mit sehr extremem Scharf-Unscharf-Kontrast.
Wie wir aber gesehen haben, ist das so ziemlich das einzige Stilmittel, das dort eingesetzt wird.
Und zwar so lange, bis man es nicht mehr sehen kann.
Im Vergleich
Ich habe zwar keine “wirklichen” Vintage-Fotos, die ich zum Vergleich heran ziehen könnte,
aber hier habe ich mal eins meiner Fotos in Photoshop etwas auf Vintage getrimmt.
Man sieht deutlich, wie einige Kontrast-Arten extrem abnehmen, so dass das linke Bild viel weniger ansprechend ist.
Googel doch einfach mal nach “Hochzeitsfoto Vintage” dann siehst du, was ich meine.
Das war eine Auswahl der Stilmittel der Blickführung innerhalb eines Fotos, die mir am wichtigsten erscheinen.
Manches davon ist vielleicht noch aus dem Kunstunterricht bekannt: https://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Farbkontraste
Und hier habe ich selbst das meiste zu dem Thema gelernt (englisch): http://www.kenrockwell.com/tech/basics.htm
Fazit
Wie man sieht hat ein Fotograf viele Möglichkeiten, für spannende, interessante Bilder zu sorgen.
Doch wer nur im Vintage-Look arbeitet, verzichtet auf vieles davon und hat es wirklich schwer, Hochzeitsbilder zu machen, die auch für Unbeteiligte aussagekräftig sind.
Bist du im Bezug auf Vintage-Look eher Fanboy oder Hater?
Schreib mir deine Meinung als Kommentar!